Volleyball im Blut

Artikel aus dem Luxemburger Wort  13 Oktober 2020

Bericht von Daniel Wampach

Anu Ennok spielt nach zahlreichen Stationen und Titeln im Profibereich nun im Mamer

Foto Christian Kemp

Die Volleyballerinnen aus Mamer haben hohe Ansprüche. Doch in den beiden Auftaktspielen der Novotel Ligue standen zwei starke Konkurrenten auf der anderen Seite des Spielfelds. Gegen Gym und Walferdingen hat Mamer jeweils mit 2:3 verloren – doch gibt es für das Team keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.

„Ich will eine Medaille gewinnen“, sagt Anu Ennok aus Estland. Seit sie sieben Jahre alt ist, spielt sie Volleyball. „Ich habe es im Blut.“ Ennok ist vor einigen Wochen in eine ganz andere Welt eingetaucht als jene, die sie vorher gewohnt war. Denn die 28-Jährige spielte in den vergangenen Jahren professionell in Frankreich, Finnland und der Schweiz. „Ich wollte kein Profi mehr sein, sondern ein ,normales‘ Leben führen und nebenbei noch etwas Volleyball spielen.“

Vielseitig

Da Ennok in Nancy lebt, wo ihr Freund Handball spielt, hat sie sich dort in der Gegend umgeschaut. „Aber in der ersten und zweiten französischen Liga wird praktisch jeden Tag trainiert.“ Es war Merlin Hurt, eine Landsfrau Ennoks, die sie auf den Verein in Mamer und die luxemburgische Liga aufmerksam gemacht hat.

Hurt spielt bereits seit zwei Jahren in Mamer. Beide lernten sich als Kinder kennen, als sie in Estland bei Turnieren gegeneinander spielten. „Sie sagte mir, dass nur drei Mal pro Woche trainiert wird. Ich wollte es einfach mal versuchen, auch wenn ich nichts über die luxemburgische Liga weiß“, erklärt Ennok. Die Estin hat erst zwei gegnerische Teams gesehen. Obwohl sie die Novotel Ligue noch nicht kennt, glaubt sie, dass das Niveau einigermaßen gleich ist. „Zumindest was die zwei bisherigen Gegner betrifft“, sagt sie. „Ich habe aber auch gehört, dass es noch schwächere Mannschaften gibt. Ich lasse mich überraschen. Es ist natürlich ein ganz anderes Niveau als das, was ich vorher gewohnt war.“

Foto Christian Kemp

Ennok lebt noch in Nancy, kommt aber für den Volleyball nach Luxemburg. Sie hat hier auch eine Arbeit gefunden – dank der Hilfe des Vereins und eines Sponsoren. „Ich bin dem Club dafür unglaublich dankbar“, sagt sie.

Dankbar für die Verstärkung aus Estland ist auch ihr Team. „Anu ist sehr vielseitig und tut der Mannschaft richtig gut. In Luxemburg sind die meisten Spielerinnen in einem oder zwei Bereichen stark. Was bei Anu auffällt, ist, dass sie wirklich überall gut ist. Sie hat eigentlich keinen Schwachpunkt. Genau solch eine Spielerin haben wir gebraucht“, sagt Kapitänin Martine Emeringer. „Man merkt an ihrer Spielweise, dass sie in der Volleyballwelt schon ein bisschen rumgekommen ist. Sie hat immer noch diese professionelle Einstellung und ist sehr seriös.“

Zehn Trainings pro Woche

In Estland und Finnland wurde Ennok in den vergangenen Jahren Meister, in der Schweiz kam sie mit ihrem Team immerhin auf Platz zwei. Die Novotel Ligue ist deutlich schwächer als jene Meisterschaften, in denen sie vorher gespielt hat. „Die Spielerinnen arbeiten oder gehen zur Schule, sie trainieren nur drei Mal die Woche. Da ist es natürlich klar, dass das Niveau nicht so hoch sein kann. Ich habe in manch anderen Ligen an fünf Wochentagen zwei Mal täglich trainiert. Das macht einen großen Unterschied. Die Novotel Ligue ist in meinen Augen so gut, wie sie in dieser Situation eben sein kann.“

Als Profi ist der Sport auch Beruf. „Du spielst fürs Geld und weißt, dass auch andere Leute von deinen Leistungen abhängig sind“, sagt Ennok. „Aber hier ist der Druck nicht so groß. Die Leute sind aus Spaß beim Volleyball, weil es ihnen Freude bereitet.“

Die zwei knappen Niederlagen zum Saisonauftakt haben laut Ennok etwas mit dem Vertrauen ins eigene Können zu tun. „Der fünfte Satz ist immer eine Frage des Glücks und Selbstbewusstseins. Wir glauben vielleicht noch nicht genug daran, dass wir den Tiebreak gewinnen können.“

Möglicher Titelkandidat

Ähnlich sieht es Emeringer: „Ich habe oft das Gefühl, die anderen Teams wären aggressiver, vor allem im Tiebreak. Wir dagegen haben viele junge Spielerinnen, denen dann vielleicht etwas die Sicherheit fehlt. Wir haben eher Angst davor, einen Fehler zu machen, anstatt den Willen zu haben, den Punkt zu erzielen.“

Trotz allem bleiben die Ziele in Mamer hoch. „Natürlich will man immer gewinnen“, sagt Ennok, „und umso härter die Spiele wie jene zum Auftakt sind, umso mehr lernen wir daraus“. Emeringer glaubt zwar noch nicht, dass der Titel in dieser Saison möglich ist („Wir müssen erst einmal zueinander finden und noch an vielen Schwächen arbeiten“), doch die Zukunft könnte rosig sein: „Wir sind ein Team, auf das man aufbauen kann. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Jahren als Titelkandidat dargestellt werden.“